Dienstag, 27. Juli 2010

Gedanken zu Kapstadt

Keine Frage, Kapstadt ist mit Sicherheit eine der vielseitigsten und schönsten Städte weltweit. Kaum eine andere Metropole kann mit so einer spektakulären Umgebung, so reichen Naturschätzen, so einer bunten Bevölkerung und so einer Historie aufwarten. Und welche Stadt hat schon so ein natürliches monumentales Wahrzeichen wie Kapstadt mit dem Tafelberg? Vielleicht gerade mal noch Rio de Janeiro mit seinem Zuckerhut. Diese Stadt ist einfach wahnsinnig faszinierend. Faszinierend aber auch auf andere Art und Weise: sie strahlt mitunter eine seltsame Atmosphäre aus; vor allem jetzt, wo die Weltmeisterschaft einige Zeit vorbei ist und sich Jubel, Trubel, Heiterkeit gelegt haben. Der Clash zwischen Arm und Reich und alldem, was daraus resultiert, kann einem auf das Gemüt gehen und führt zu gezwungenem Selbstschutzverhalten.
Nein, man kann es leider den zahllosen Bettlern und Street-Kids nicht rechtmachen, am besten man guckt sie gar nicht erst an und läuft schnell weiter, damit sie einen nicht belagern. Im schlimmsten Falle stolpert man noch über sie, weil man sie im Strom der Berufspendler nicht an der Wand kauern sieht. Es fühlt sich alles andere als gut an, auch wenn man das mit der Zeit mehr und mehr ausblendet, leider. Und ja, man ist übervorsichtig mit Hab und Gut und läuft besser nicht alleine in der Gegend rum, schon gar nicht nach Sonnenuntergang. Man muss damit umgehen, in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt zu sein. Warum vermutet man schnell hinter jedem Mann, der in ein bestimmtes Raster passt, einen Gangster, der Dich jeden Moment überfallen könnte oder morgen Dein Haus ausräumt? Leider kann man sich nicht ganz dagegen verwehren, auch wenn man es möchte. Man kann dieses subtile beklemmende Gefühl nie ganz los werden, wahrscheinlich auch nicht wenn man jahrelang hier gelebt hat ohne jemals eine schlechte Erfahrung zu machen. Es ist nur ein ojektives Gefühl. Vielleicht ist das aber auch gut so, man bleibt vorsichtig. Leider zeigen Zahlen, Fakten und Erzählungen von Leuten, die Jemanden kennen, der Jemanden kennt…, dass solche Gefühle auch nicht völlig unbegründet sind. In Gesprächen mit Bewohnern und Besuchern der Stadt wird das auch deutlich, jeder hat irgendeine Story beizutragen. Alkohol und Drogen spielen anscheinend eine große Rolle und resultieren bei vielen der „benachteiligten Menschen" (offizielle Bezeichnung) in der gefährlichen Mischung aus vorhandener oder empfundener Perspektivlosigkeit, Gleichgültigkeit und Selbstverwirklichungsdrang. Traditioneller Familienzusammenhalt wird immer mehr aufgebrochen. Verbrechens-, Mord- und Vergewaltigungsraten sind um ein hundertfaches Höher als bspw. in Berlin. Und während die Townships und „informelle Siedlungen“ immer weiter wachsen, hat keiner so richtig die Lösung für die ursächlichen Probleme. Hier hat Südafrika das schwere Erbe seiner Geschichte zu tragen. Daher auch die großen Hoffnungen auf die WM. Und wenn auch die Stimmung der WM für das Land sicherlich gut und wichtig war und es neue Straßen, Bahnhöfe, Flughäfen und vielleicht zukünftige Besucher gibt (…und Stadien, die keiner mehr braucht…), so hatten längst nicht alle Menschen etwas davon. Das ganz große Geld blieb bei den üblichen Verdächtigen und Südafrika sitzt auf einem großen Berg Schulden.
Dennoch kann man angesichts der neuen Generationen, die keine Rassentrennung kennengelernt haben, auch optimistisch sein. Auch wenn eine große Lücke zwischen Arm und Reich klafft und diese wie woanders größer wird, sind die Bedingungen und der Zugang zu Bildung heute andere - allerdings noch bei weitem nicht gleich. Trotzdem: kluge, kreative Menschen braucht dieses Land allemal.
In diesem Sinne: „Shosholoza!“

2 Kommentare:

  1. Hej mein Lieber,

    ich hoffe es geht Dir gut und Du kannst die Zeit genießen. Hatte vor, Dir schon viel früher zu schreiben, doch leider ist hier momentan sehr viel zu schaffen.

    Ich verfolge deine Beiträge immer sehr gespannt und hoffe, dass Du uns in den nächsten Monaten noch an sehr vielen Eindrücken teilhaben lässt.

    Ich denke, dass es vielen so geht wie mir. Auch wenn wir in den letzten Monaten nur sporadisch Kontakt hatten, denke ich doch ab und zu an Dich.

    Viele Grüße und eine geile Zeit!

    Ferenc

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  2. He Roman,

    schön, dass es Dir so gut geht, auch wenn die Reflexion sicherlich nicht ausbleibt. Ich freue mich Dich bald um viele Erfahrungen reicher in Potsdam zu sehen. Sei beschützt,

    Philipp

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