Freitag, 13. August 2010

Noon Gun

Ich sitze an meinem Arbeitsplatz und durch das offene Bürofenster im 7. Stock schallt monoton der Sound der Stadt. Auf einmal - eine lautstarke Explosion! Tauben zucken zusammen und flattern panisch davon. Mich kratzt es nicht sonderlich, dafür weiß ich, es ist Punkt 12 Uhr. Ich könnte jetzt in Erwägung ziehen, runter zu gehen und im Laden auf der anderen Straßenseite ein Chicken Curry Pie für 10 Rand zu kaufen.

Seit unendlich vielen Jahren schon donnert die fast 400 Jahre alte "Noon Gun" ohne Unterbrechung jeden Tag - außer sonntags - pünktlich um 12 Uhr vom Hang des Signal Hills über die Stadt. Ganz in der Nähe meines Arbeitsplatzes ergeben genau 3,1kg Schwarzpulver einen ungeheuer wuchtigen Knall, der über viele Kilometer zu hören ist. Eigentlich wurde die Kanone früher dazu genutzt, in den Hafen einfahrende Schiffe anzukündigen, damit Händler, Hafenarbeiter und Logistiker sich "just in time" um die (damals noch leicht verderblichen) Waren kümmern konnten. Dazu kam zusätzlich noch das praktische Zeitsignal: die Käpt'ns vorbeifahrender Schiffe konnten anhand des Knalls ihre Chronometer überprüfen.
 
Dieser Zeit-Schuss hat seit über 200 Jahren Tradition, auch wenn er heute nicht mehr den Schiffen dient. Die im Allgemeinen als "laid-back" verschriehenen Capetonians sehen's gelassen: sie wissen dank der Noon Gun auch ohne auf die Uhr zu schauen, dass es Zeit für die Mittagspause ist. Nur die Tauben kriegen immer wieder auf's Neue Panik - angeblich reicht ihre Erinnerung an Ereignisse nur knappe 23 Stunden zurück.

Donnerstag, 12. August 2010

"The Upgrade of Potsdam"

Meine erste "Amtshandlung" nach dem verlängerten Wochenende war, dass ich an zwei aufeinander folgendenen Meetings teilnehmen konnte. Beide fanden in einem Pavillon im Blaauwberg-Naturschutzgebiet, am nördlichen Stadtrand, direkt am Strand statt. Da ich nicht so richtig im Thema der Diskussionen war, schweiften meine Gedanken hin und wieder ab. Ich genoss statt dessen lieber den fantastischen Ausblick über das Meer mit hin und wieder rumspringenden Delfinen auf die Stadt vorm Tafelberg auf der gegenüberliegenden Seite der Table Bay. Als dann aber plötzlich über das "Upgrading of Potsdam" (Ausbau/Sanierung Potsdams) gesprochen wurde, war ich doch wieder ganz schnell hellhörig...

Es stellte sich heraus, dass Potsdam ganz in der Nähe von Blauuwberg liegt und der Name einer grossen Wasseraufbereitungsanlage ist. Früher war Potsdam eine bekannte Farm, vermutlich irgendwann im 18. Jahrhundert gegründet. Die ganze Gegend um die Farm hieß mal Potsdam, heute gibt es neben der Anlage nur noch eine Potsdam Road.

Neben Potsdam gibt es auch irgendwo ein Berlin und nicht weit von Cape Town fährt man durch Heidelberg.

Auch wenn Deutsche hier am Kap nur eine sehr bescheidene Rolle gespielt haben: das Potsdam hier in Cape Town ist nur ein kleines Zeichen für das, was die Geschichte Südafrikas geprägt hat. Menschen aus aller Welt sind hier über Jahrhunderte hergekommen, zum Teil wieder gegangen und zum Teil geblieben. Zum Teil haben sie sich assimiliert, zum Teil segreggiert und manchmal haben sie Kriege geführt. Vor allem aber hat jeder irgendwo seine Spuren hinterlassen.

Roadtrip auf der Garden Route und der Route 62

In Südafrika gibt es einen Frauentag. Dieser liegt zwar auf einem anderen Datum, als der internationale Frauentag, dafür ist er aber auch ein nationaler Feiertag. Gut für uns, dass er diesmal auf einen Montag fiel, denn in Kombination mit einem frei genommenen Freitag ergibt sich so ein verlängertes Wochenende. Zeit mal wieder aus Kapstadt rauszukommen. Zu diesem Zwecke wurde sich recht günstig ein Auto gemietet und schon ging es bereits Donnerstag nach getaner Arbeit auf den Highway N2 in Richtung Osten. Der Sonnenuntergang hinter dem Horizont der Townships verhieß Gutes: Der Roadtrip konnte beginnen.

Unsere erste Station war Mossel Bay, wo wir in einer zum Backpackerhostel umfunktionierten Bahn mit Strandblick unsere erste Herberge fanden. 

Tag 1: Mossel Bay - Wilderness - Buffelsbaai - Knysna 
In Mossel Bay geht der spannende Teil der Garden Route eigentlich erst los. Durch eine unglaublich reiche Vegetation (daher auch der Name der Route) aus Urwäldern und Fynbos führt die N2 hier durch hügelige Landschaften und macht immer mal wieder Abstecher an den Indischen Ozean. Die Strände und das türkise Meer, gerade um Wilderness und Buffelsbaai, sehen einfach zu verlockend aus, um bei Sonnenschein und gefühlten 27 Grad (im Winter?!) nicht spontan reinzuspringen. Schön, aber auch schön kalt. Hier und auch an den anderen Tagen können wir fast von jedem "Oceanview" und Strand aus Wale beobachten. 
Ein paar Strände und Urwaldhikes später landen wir dann im Lagunen-Städtchen Knysna (sprich: "Naissnä", oder auch "Nice, ne?")

  
Tag 2: Knysna - Tsitsikamma - Stormsriver
Nur schwer können wir uns von den Fish & Chips in Knysna losreissen. Vielleicht liegt es auch am vorherigen Abend oder an den Startproblemen mit unserem Gefährt (siehe vorletzter Absatz). Mit etwas Verspätung geht es jedenfalls weiter, durch die Lagunenlandschaft um Knysna und danach in den Knysna Elephant Park, wo man den grauen Riesen auf die ledrige Pelle rücken kann. Wirklich nette Tiere, und so entspannt. Es sei denn sie wittern Futter oder Gefahr für den Nachwuchs...
Mit Beginn der Tsitsikamma ändert sich die Landschaft nochmal völlig. Man fährt durch eine endlose Waldebene, nicht weit entfernt erheben sich Berge... und auf einmal tut sich ohne Vorwarnung ein tiefer Spalt auf,  weit über 200 Meter geht es steil nach unten. Die Bloukrans Bridge hier ist daher der idealle Ort für den höchsten Bungee Jump der Welt. Schon beim Zugucken kribbelt's ordentlich...
Etwas weiter, im Dorf Stormsriver, finden wir eine nette Herberge. Der Ort scheint eigentlich nur aus dem Grund zu bestehen, Anlauf- und Aufenthaltspunkt für Besucher mit einer Affinität zu Abenteuer- und Extremsport zu sein.  


Tag 3: Stormsriver - St. Francis Cape - Oudtshoorn
Wer was erleben will muss früh raus: Ana-Isa und JB konnten es dann doch nicht nur beim Zugucken belassen und sind in der Früh zur Brücke zurückgefahren. Ein paar Sekunden mit einer vollen Dröhnung aus verschiedensten extremen Emotionen auf einmal, und der Tag hat für beide schon mal gut angefangen. Jeder bräuchte so einen Bungeesprung im Hinterhof: wenn's mal nicht läuft, man morgens schwer in Tritt kommt, man keinen Bock auf Uni oder Arbeit hat - schnell einmal springen und man ist aber sowas von frisch!
Ich für meinen Teil habe dieses Erlebnis erstmal verschoben und mich dafür auf eine kleine Stahlseilbahn-Tour in den Baumwipfeln des Urwalds aufgemacht. Ist auch schön, wenn auch bei weitem weniger aufregend als der höchste Bungeesprung der Welt.
Mit diesen Erlebnissen geht es dann erstmal an den Strand, denn das Wetter ist prächtig, auch wenn sich das im Laufe des Tages dann ändert. Später, mittlerweile im Regen verlassen wir die N2 Richtung Norden auf die "Scenic Route 62", wo wir fast völlig einsam durch die "Prärie" fahren. Die Landschaft ist tatsächlich "scenic" und sieht durch den Wechsel aus Regen, Sonne und Wolken immer wieder auf eine ander Art und Weise interessant aus. 
Am Abend erreichen wir Oudtshoorn, die selbsternannte Straußenwelthauptstadt.


Tag 4: Oudsthoorn - Cango Caves - Cape Town
Das Wetter ist ähnlich wechselhaft und recht frisch dazu. In der Ferne kann man sehen, dass auf den Berggifeln Schnee liegt. Es ist nämlich doch Winter. Machen wir also etwas drinnen. Da aber die Herberge nicht besonders spannend ist, begeben wir uns lieber zu den Cango Caves einige Kilometer weiter. Viermal die "Adventure-Tour" gebucht und schon geht es hinein in die mollig warme, riesige und spektakuläre Tropfsteinhöhle. Der Unterschied zur "Standart-Tour" besteht nicht nur darin, dass man viel mehr von der Höhle sehen kann, sondern auch darin (um eben mehr von der Höhle sehen zu können) sich durch enge Passagen, Tunnel und Spalten quetschen, ziehen und robben zu müssen. Da gibt es dann zum Beispiel den "Love Tunnel" ("Because you get hugs and squeezes from all sides") den "Devil's Chimney" oder die "Letterbox", eine nur 27cm grosse Spalte, aus der man kopfüber in eine dahinterliegende Kammer hineinrutscht. Ganz sicher nix für beleibtere Menschen - es hat schon peinliche Zwischenfälle gegeben - und schon gar nix für Klaustrophobiker.
Vorbei an Straußenfarmen und der wunderschönen Landschaft der "Klein Karoo" geht es dann langsam aber sicher wieder zurück nach Observatory, Cape Town.


Unser kleiner Mietwagen, ein nicht ganz so neuer Toyota Tazz, den es nur in Südafrika gibt, hatte nach dem Trip 1600km mehr auf der Uhr, dafür aber eine Radkappe weniger, einen Brandfleck im Dachpolster und einen Steinschlag in der Windschutzscheibe. Die Radkappe haben wir ersetzen können. Und der selbstverschuldete professionelle Einbruch, nachdem jemand die Schlüssel im Auto eingeschlossen hatte, hinterließ glücklicherweise keine Spuren.
...bis jetzt hat sich die Autovermietung noch nicht gemeldet und ich gehe davon aus, dass die Kaution wieder auf meine Kreditkarte zurückgebucht wird...

Es war ein wirklich toller Ausflug und auf jedenfall ein Muss für jeden Südafrika-Reisenden. Abwechslungsreich, wunderschön, natürlich, abenteurreich und zu dieser Jahreszeit fast schon einsam. Hier kann die Route GoogleMaps-technisch auch nochmal nachverfolgt werden (nicht jede einzelne Station ist eingezeichnet).